Bevor hier nun näher auf drei verschiedene gängige Verfahren der Wertermittlung eingegangen werden soll, sei noch die folgende Plausibilität erlaubt, um dem Leser die Absurdität der oben gestellten Frage etwas klarer zu machen. Was ist z. B. ein Einfamilienhaus mit Keller in Massivbauweise und einer Wohnfläche von 160 qm wert? In München Sendling werden wohl 2 Mio. Euro dafür nicht reichen, im strukturschwachen niedersächsischen Wendland bekommt man für das gleiche Haus keine 60.000 Euro, wobei das norddeutsche Baugrundstück mehr als 1000 qm misst und einen wunderschönen alten Baum- und Buschbestand hat. Das Münchener Grundstück hat dagegen kaum 500 qm, liegt direkt an einer viel befahrenen Hauptverkehrsstraße und ist von allen Seiten her durch Mauern, Hecken und viel zu dicht benachbarte Häuser eingeengt. Dennoch geht jeder a priori davon aus, dass man in München natürlich eine sehr viel höhere Lebensqualität hat.
Die Wertermittlung bei gebrauchten Immobilien
Bei gebrauchten Immobilien bzw. auch bei Grundstücken kommt der sogenannte Verkehrswert, den man auch als Marktwert bezeichnen könnte, zum Tragen. Es handelt sich dabei um den realen Preis, der mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit so dort erzielt werden kann. Per Definition spiegelt der Verkehrswert bezogen auf einen bestimmten Stichtag die (aktuellen) Marktverhältnisse wider. Selbstverständlich hat sich auch der Gesetzgeber mit diesem Problem befasst und daher 3 Verfahren bestimmt, von denen mindestens eines bei jeder Wertermittlung einer Immobilie anzuwenden ist. Da hierbei viele Details richtig zu beachten und auch konkret anzuwenden sind, ist es unbedingt zu empfehlen, einen qualifizierten und unabhängigen Gutachter mit der Wertermittlung zu beauftragen, was allerdings mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Die Erfahrung hat gezeigt, dass selbst ermittelte Immobilienwerte durch die Verkäufer immer deutlich zu hoch ausfallen, auch wenn ernsthaft versucht wird, alle Kriterien richtig anzuwenden. Dahinter verbirgt sich sehr wahrscheinlich ein psychologischer Effekt gepaart mit Wunschdenken.
Wer dann im Ergebnis als Verkäufer den Preis zu hoch ansetzt, hat erst mal richtig schlechte Karten, denn der Prozess des Verkaufens kann sich nun elend lange dahinschleppen. Am Ende läuft alles darauf hinaus, dass das Objekt sogar weit unter Wert verkauft werden muss. In Erbschaftsfällen ist es oftmals das Finanzamt, das einen Schätzwert für die Immobilie ansetzt. Wie jeder weiß, hat auch das Finanzamt seine Eigeninteressen mit der häufigen Folge, dass der vom Finanzamt festgelegte Preis oftmals eine „Schmerzgrenze“ übersteigen kann. Dagegen können sich die Erben bzw. die Beschenkten durchaus mit einem Gegengutachten wehren. Sowohl das Finanzamt als auch die Gutachter halten sich in aller Regel an 3 normierte Verfahren zur Wertermittlung bei Immobilien, wobei nicht jedes dieser Verfahren gleichermaßen auf jede Immobilie angewendet werden darf. Der erste Schritt besteht also immer erst einmal darin, zu prüfen, um welche Art von Immobilie es sich überhaupt handelt, um darüber entscheiden zu können, mit welchem Verfahren die Berechnung vorzunehmen ist.
Das Vergleichswertverfahren
Diese Bewertungsmethode auf der Basis der bisher in der Region erzielten Verkaufspreise ist geeignet für Ein- und Zweifamilienhäuser, Reihenhäuser, Doppelhaushälften und auch Eigentumswohnungen. Wenn es um das Bauland geht, greift man zurück auf die „Bodenrichtwertkarte“. Bei dieser Methode steht wirklich die aktuelle Marktlage im Fokus. Für den Preisvergleich werden andere Immobilien ähnlicher Ausstattung und Größe in der betreffenden Umgebung herangezogen. Außerdem werden selbstverständlich auch der allgemeine Zustand der Immobilie und so wichtige Aspekte wie die Infrastruktur in die Gesamtbewertung mit einbezogen. Ein sehr wichtiges Kriterium ist immer die Grundstücksgröße und das Baujahr des Objekts oder die Lage mit ihrer Infrastruktur. Neben der obligatorischen Baubeschreibung ist auch der Zustand der Außenanlagen von hohem Belang, und dann werden auch noch die sogenannten Wohnumfeldinformationen berücksichtigt. Dazu gehören z. B. auch die Einkommens- und Altersverteilung in der näheren und weiteren Nachbarschaft, also in einem erweiterten Sinne das soziale Umfeld. In dieser Hinsicht schneiden die Villen in Berlin-Dahlem nun mal eben besser ab, als die Plattenbauten in Berlin-Hellersdorf.
Gerade ältere Häuser müssen sehr unterschiedlich bewertet werden. Bei manchen Häusern werden immer wieder werterhaltende oder sogar wertsteigernde Maßnahmen durchgeführt, andere Eigentümer wieder lassen ihre Häuser z. T. sogar absichtlich verfallen. Das kann natürlich einen riesigen Wertunterschied ausmachen. Ein erfahrener Sachverständiger erkennt schnell die Kriterien, die eine nachhaltige Wertminderung oder eben auch eine Wertsteigerung zur Folge haben. Letzteres ist z. B. an besonderen Ausstattungsmerkmalen wie z. B. einen Kamin, aber auch regelmäßige Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen gekoppelt. Andere typische Beispiele für eine deutliche Wertsteigerung sind die neue Heizungsanlage, die neue Dacheindeckung, eine moderne Fassadendämmung, die Erneuerung der Fenster oder die Sanierung von Bad und Küche. Es gibt aber auch Fälle, da fehlen einfach akzeptable Vergleichsobjekte in der näheren Umgebung, oder die Region ist zufällig von extremen Marktschwankungen beim Verkehrswert betroffen, vielleicht durch die Schließung eines bedeutenden Arbeitgebers in der Nähe. Man muss sich also darüber im Klaren sein, dass das Vergleichswertverfahren meistens nur eine Momentaufnahme der lokalen Situation am Immobilienmarkt sein kann.
Das Ertragswertverfahren
In diesem Fall geht es um Objekte, die nicht selbst genutzt, sondern z. B. vermietet werden im Sinne der Erzielung einer Rendite für die ursprüngliche Investition beim Kauf. Typischerweise handelt es sich hierbei um Mehrfamilienhäuser oder auch Gewerbeimmobilien. Maßgebend sind in diesen Fällen der Wert der baulichen Anlagen und der Bodenwert. Von besonderem Gewicht ist hier die Jahresnettokaltmiete, die mithilfe der Immobilie nachhaltig erwirtschaftet werden kann. Noch wichtiger bei der Wertbestimmung ist aber der Nettoertrag, also die erreichbare Jahresmiete vermindert um die Bewirtschaftungskosten, die da sind: die nachweisbaren Instandhaltungs- und Verwaltungskosten, weitere nicht umlagefähige Betriebskosten, aber auch das sogenannte Mietausfallwagnis. Die sogenannte Kapitalisierung des Nettoertrages ist heute die Basis für die Bewertung eines solchen Gebäudes. Dabei wird aber der Reinertrag um den Liegenschaftszinssatz von Grund und Boden gekürzt. Schließlich wird das Ergebnis mit einem Faktor multipliziert, der ziemlich individuell und abhängig von der Lage, Region, Verkehrsanbindung usw. zu wählen ist (siehe dazu die 21. Anlage des Bewertungsgesetzes). Die Richtwertkarte liefert konkrete Angaben über den Bodenwert, der zum Gebäudewert dazu gezählt werden muss. Im Ergebnis steht dann der Ertragswert des Grundstücks.
Das Sachwertverfahren
Es gibt aber auch viele Fälle, da gibt es in der Nähe weder Vergleichsgrundstücke noch ist es möglich, die normalen, ortsüblichen Mieten zu ermitteln. Für diese Sonderfälle wurde das Sachwertverfahren entwickelt. Auch hier müssen die Werte von Boden und baulichen Anlagen separat ermittelt werden. Bei den Herstellungskosten für das Gebäude werden auch die wirtschaftlichen und technischen Wertminderungen mit einkalkuliert.
Bei diesem Verfahren wird die Eigennutzung der Immobilie nicht ausgeschlossen. In diesem Fall wird der Sachwert direkt an jenem Wert orientiert, der auch im Fall einer Beleihung üblicherweise zugrunde gelegt werden würde. Ein Gutachter berücksicht bei den Herstellungskosten in aller Regel den jeweiligen Qualitätsstandard der Bauweise. Dabei spielt auch der allgemeine Wartungszustand der baulichen Anlagen eine wichtige Rolle. Darüber hinaus finden auch die Kosten für einen gleichwertigen Neubau Eingang in die Gesamtbewertung durch einen Experten im Sachwertverfahren.